ANO SYROS RESIDENCY PROGRAM
SCROLL
ANO SYROS RESIDENCY PROGRAM

Das Haus Bourgos steht fast zuoberst im Städtchen


Das Haus Bourgos

Es steht fast zuoberst im Städtchen Ano Syros, das Haus Bourgos, und es ist nur zu Fuss erreichbar; die engen, steilen und reich gestuften Gässchen erlauben keinen Verkehr auf Rädern. Durchs Erdgeschoss des alten Patrizierhauses führt eines der einst sieben Stadttore, hinaus zur Westflanke des Felsens, auf dem die Siedlung steht. Ob Bourgos, Pourgos oder Pyrgos, die Herkunft des Namens ist nicht genau feststellbar. Spätestens seit der venezianischen Seeherrschaft, seit gut 700 Jahren also, steht das Haus auf dem Monolithen, dem bisher noch kein Erdbeben etwas anhaben konnte. Das Äussere ist kykladisch-venezianisch, bis auf die Ostfassade: Dort brachte der Hausherr vor bald hundert Jahren einen glatten Verputz, ein Fries und ein klassizistisches Portal an, um den Herrschaften unten in Ermoupoli in ihren noblen Häusern nicht nachzustehen. Die alten Nachbarn wissen noch zu erzählen, dass in der Sala, dem Salon, bei Hochzeiten aus der Umgebung getanzt wurde, weil kein anderes Haus über ebenso grosse Räume verfügte.

Sanfte Eingriffe

Erst seit der Renovation im Jahre 1992 verfügt das Haus Bourgos über Wasser und Elektrizität, ansonsten wurde an der Grundstruktur nichts verändert, ausser dass zugemauerte Türen, Fenster und Nischen wieder geöffnet wurden. Zeitgemässe sanitäre Einrichtung musste sich teils unter Treppen und in schmale Nebenräume fügen, teils fand sie in angrenzenden Gebäudeteilen Platz. Die alten Fenster und Türen wurden kopiert. Die Räume im Erdgeschoss sind mit Granitplatten ausgelegt, jene im ersten Stock mit Bretterböden. Heizkörper und Klimaanlagen sucht man vergebens. So bewahrt das Haus trotz höherer Nutzung im wesentlichen den Charakter, der ihm früher zu eigen gewesen sein mag.

Werken und Wohnen

Im Laufe von zweieinhalb Jahrzehnten konnten mehrere angrenzende Ställe und Gartenflächen mit schönen Baumbeständen (Oliven, Feigen, Zitronen, Orangen, Pflaumen, Aprikosen, Mandeln, Maulbeer, Johannisbrot, Granatapfel, Pinien etc.) zugekauft werden, so dass ein stattliches Anwesen zusammengewachsen ist. Die Gebäudeteile wurden nach und nach restauriert und zu Ateliers und Werkstätten gemacht. Diese sind bei Bedarf ebenfalls bewohnbar, jede mit Bad und Küche. Die jüngste Errungenschaft, eine Kombination aus Taubenhaus, Esel- und Ziegenstall, steht im grossen, vielfach gestuften Garten. Durch die Entfernung eines Zwischenbodens entstand ein luftig hoher Raum mit einem klassischen Patàri, einer Empore zum Schlafen. 


Geschichte


Einsturzgefahr

Als ich das Haus 1990 kaufte, war es ein Trümmerhaufen. Wegen  akuter Einsturzgefahr war es amtlich abgesperrt. Keine horizontale Struktur war intakt. Überall gähnten Löcher in Dächern und Böden. Teilweise ragten nur noch die Mauern wie faule Zähne in die Höhe; aber auch von diesen waren einige wackelig. Man hielt mich für verrückt; zum Glück war ich niemandem Rechenschaft schuldig.

"Grossgrundbesitz"

Die Seilbahn gibt es nicht mehr. Unterdessen bezeichne ich mich gerne als steinreich, denn an Steinen fehlt es nun wirklich nicht auf dem felsigen Anwesen, das sich im Laufe der vergangenen 25 Jahre immer mehr ausdehnte: Infolge der bedauerlichen Überalterung und Entvölkerung des Städtchens wurden mir und inzwischen auch meiner Gemahlin Judit nebst einem grossen Garten auch der eine oder andere alte Stall zum Kauf angeboten. Daraus wurden Werkstatt, Wohn-Atelier und ein Garten-Wohnhaus. Gebaut wird an dieser Lage noch heute nach der gleichen Methode. Die Bilder zeigen  exemplarisch die Erneuerung des Atelier-Daches 2009, die Arbeit an den Gartenmauern 2008 und die periodischen Fassaden-Renovationen.

Klar, dass wir als Ausländer bei unseren Anschaffungen immer mehr aufzuwerfen hatten, als je ein Einheimischer bezahlt hätte, aber für uns waren diese Erwerbungen jeweils gerade noch verkraftbar. Und so sind wir, ohne es je gewollt zu haben, fast ein bisschen zu Grossgrundbesitzern geworden. 

Der Seilbahn-Trick

Dank einem privaten Darlehen konnte ich 1992 die Renovation anpacken. Die Prognosen lauteten auf drei Jahre wegen der enormen Transportvolumina, aufzuteilen in Eselsportionen. Bis zur nächsten Strasse waren es über 200 Meter steilen Saumpfades mit Treppenstufen. Schon der Gedanke an diese Tierschinderei war ein Horror, abgesehen von den nicht abschätzbaren Kosten, und so baute ich mit behördlicher Erlaubnis eine Seilbahn zum nächsten Hügel, wo es einen Parkplatz gab. Auch dieses Unterfangen trug mir einschlägige Diagnosen ein, und als ich mich  selbst in der Kiste die 280 Meter über den Felsabhang fahren liess, schlugen einige das Kreuz. Auch die örtliche Zeitung berichtete darüber. Doch innerhalb von drei Monaten war der Schutt aus dem Haus, im Gegenzug das Material auf der Baustelle, und nach etwas mehr als einem halben Jahr hatten die tüchtigen Bauleute aus der Ruine das 700jährige Patrizierhaus wieder hergezaubert.